Mangroven und Mikroplastik

Blick vom Sandstrand auf das Meer. Kleine Bäume und Sträucher säumen die Küste. Mangroven.
Mangroven am Roten Meer (Foto: M. Kieffer, Ausschnitt (CC BY-SA))

Vor starker Brandung geschützte Küsten in tropischen Breiten, mit leichtem Gefälle und wassergetränktem Boden, reich an Salz und arm an Sauerstoff: die Heimat von Mangroven. Ökosysteme aus Bäumen, Sträuchern und Farnen im Grenzgebiet zwischen Land und Meer. Über Luftwurzeln atmet der unterirdische Teil, der die Mangrovenbäume verankert. Die komplexen Wurzelsysteme sind effektive Filter für großen und kleinen Plastikmüll.

Das Schicksal der Kunststoffe

Tortendiagramm über den Verbleib des weltweit produzierten Plastiks. Gesamt seit 1950: 8300 Millionen Tonnen. Davon waren 2015 60% "entsorgt", 10% verbrannt, 30% in Nutzung (inkl. kleinem Beitrag recycelten Materials,  nicht beziffert).
Von 1950 bis 2015 wurden weltweit 8300 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon sind noch 30% in Benutzung, 10% wurden verbrannt, 60% liegen irgendwo herum.

Seit die industrielle Produktion von Kunststoff in den 1950ern Jahren Fahrt aufnahm, wächst der Ausstoß exponentiell. Jedes Jahr produzieren wir 8.4% mehr als im Vorjahr. Bis 2015 haben wir so mehr als 8 Milliarden Tonnen in Umlauf gebracht, davon sind heute noch schätzungsweise 30% in Benutzung und 10% wurden verbrannt. Die restlichen 60% liegen irgendwo herum (Geyer, 2017). Im besten Fall lagern sie auf kontrollierten Müllhalden, doch leider findet ein Teil seinen Weg in die Meere. Wie viel genau und was damit geschieht sind Fragen, die nicht so einfach zu beantworten sind.

Cecilia Martin ging diesen Fragen im Rahmen ihrer kürzlich abgeschlossenen Doktorarbeit nach. Sie widmete sich vor allem dem Roten Meer, ein nährstoffarmes Meer mit wenig Regen und ohne Flussmündungen, weshalb das Wasser sehr salzig ist. “Daher sind die Mangrovenbäume sehr klein. Tatsächlich werden sie Zwergbäume genannt”, so Martin.

Als Erstes untersuchte sie die Plastikmenge im Oberflächenwasser und fand erstaunlich wenig. Weniger als ein Hundertstel dessen, was im Mittelmeer zu finden ist (Martí, 2017). Allerdings wohnen am Roten Meer weniger Menschen, es gibt weniger Tourismus und weniger Flüsse bedeuten weniger Einfluss. Als Nächstes schaute sie sich die Küsten an. Großen, auffälligen Müll wie Tüten, Kisten und Trinkflaschen, Bojen, Netze, Schuhe und Deckel fand sie am Strand. Besonders in dichter Vegetation, die den Müll vor dem Wind schützt. Daher verfängt sich solch Makroplastik auch gut in den Luftwurzeln der Mangrovenwälder.

Aus dem nassen Boden ragen Holztriebe nach oben: Luftwurzeln. Dazwischen verfangen eine Trinkflasche aus Plastik (links) und eine gelbe viereckige Plastikkiste.
Makroplastik gefangen in Mangrovenwurzeln. Links im Roten Meer und rechts im Persischen Golf. (Fotos: aus Martin, 2019 (CC BY))

Die Kunststoffteile aber, die im Meer bleiben oder dahin zurück wehen, zerbrechen mit der Zeit zu Mikroplastik. So heißen Stückchen, die kleiner als 5 Millimeter sind. Dazu gehören auch Fasern aus Kleidungsstücken, Abrieb von Autoreifen oder Plastikpellets aus der Kunststoffproduktion. Verschiedenen Studien zufolge schwimmt im Meer aber viel weniger Mikroplastik, als zu erwarten wäre (van Sebille 2015). Wo ist es hin, wird es von Tieren aufgenommen oder von Bakterien zersetzt, sinkt es in tieferes Wasser ab oder wird es im Meeresboden eingelagert?

“Das ist eine Frage, die wir nicht vollständig beantworten konnten.”, so Cecilia Martin. Sie könne nicht sagen, wie viel jeder einzelne Teil beiträgt. Auf jeden Fall sind Mangrovenwälder sehr effektiv beim Filtern des Mikroplastiks (Martin, 2020). Sie bohrte mit KollegInnen die Böden an und fand in den bis zu einen Meter langen Bohrkernen überall Mikroplastik, bis hinunter zu den Schichten aus dem Jahr 1950. Hochgerechnet auf alle Mangrovenwälder des Roten Meers lagern dort 50 Tonnen Plastik im Boden. Sie haben aber nur einen sehr kleinen Anteil an der Gesamtfläche des Roten Meeres, kleiner als 0.03%.

Cecilia Martin und viele andere gehen davon aus, dass noch viel mehr Mikroplastik tief im Meer ablagert. Im Roten Meer wurde das noch nicht untersucht aber vor der Küste Kaliforniens. Jennifer Brandon vom Scripps Institut in San Diego schaute mit ihren KollegInnen in den Boden in fünfhundert Metern Tiefe vor Santa Barbara. Auch sie fand Mikroplastik in allen Schichten bis zu jenen vom Beginn der Kunststoffproduktion (Brandon, 2019).

Und wie sich zeigt, wächst die jährlich eingelagerte Menge Plastik in den Mangroven des Roten Meers wie in den Tiefen Kaliforniens exponentiell. Mit jeweils 8.4% mehr als im Vorjahr folgen die Kurven sehr gut der weltweiten Kunststoffproduktion. Der Kunststoff ist im Boden also langfristig gebunden.

Mikroplastik in verschiedenen Formen (Fasern, Filme, Klumpen), Größen (von ca. 100 Mikrometern bis knapp über einem Millimeter) und Farben (gelb, grün, rot, rosa, lila).
Verschiedene Stückchen Mikroplastik aus dem Meeresboden vor Santa Barbara, Kalifornien. 500 µm entsprechen einem halben Millimeter. (Foto: aus Brandon et al., 2019 )

Umweltschäden durch Mikroplastik

Während zum Beispiel Bilder von Schildkröten gefangen in Sixpack-Trägern dramatische Alarmzeichen sind, ist die Gefahr von Mikroplastik für die Umwelt weit weniger offensichtlich und weniger bekannt.

Korallen bleichen in mit Mikroplastik verschmutztem Wasser aus und sterben teilweise ab. Das zeigte Jessica Reichert mit KollegInnen an der Justus-Liebig-Universität Giessen. In dem Wasser verbrauchten die Korallen mehr Energie und dadurch werden sie wahrscheinlich anfälliger für andere Stressfaktoren wie Parasiten oder Krankheiten erregende Bakterien (Reichert, 2019). “Diese kommen in geringen Konzentrationen immer im Wasser vor, stehen aber mit den ‘gesunden’ Bakterien im Gleichgewicht,” sagt sie uns. “Das Plastik bietet Bakterien jedoch eine neue Oberfläche auf der sie sich vermehren können” und davon können dann Krankheitserreger profitieren (Kirstein, 2016). Aber auch Fische können sehr kleinen Plastikmüll aufnehmen und der findet sich dann nicht nur im Verdauungstrakt. Bis in die Leber und ins Gehirn konnte das Mikroplastik vordringen (Ding, 2018). Über langfristige Wirkungen ist noch wenig bekannt.

Insofern ist die Einlagerung im Meeresboden, in Mangrovenwäldern und anderswo, ein gutes Zeichen. Zwar gibt es noch keine Studien über die Auswirkungen des Plastiks auf Mangroven, aber “was wir in unserer Studie gesehen haben ist, dass Plastik, einmal gefangen, für Jahrzehnte dort bleibt”, so Cecilia Martin. Das Plastik wird der Nahrungskette entzogen und richtet hoffentlich keinen Schaden mehr an.

©Niko Komin (@kokemikal)


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