Bartgeier färben Hals, Brust und Bauch mit Ocker rötlich ein. Warum? Darüber gibt es verschiedene Vermutungen, ein Schutz vor Bakterien scheint aber ausgeschlossen.
In den katalanischen Pyrenäen steht ein Bartgeier in einem Rinnsal, der Boden ist vom rosthaltigen Ocker rot gefärbt. Der Geier kratzt sich am Kopf, schaut eine Weile umher und badet dann seinen Hals, seine Brust und seinen Bauch im Wasser. In Gehegen gehaltene Bartgeier wiederholen solch ein Ockerbad alle ein bis zwei Wochen. Auf diese Weise färben sich ihre weiße Federn nach und nach in einem tiefroten bis bräunlichen Ton: Rostflecken, die fest mit den Federn verbunden sind und nicht etwa mit dem ersten Regen auswaschen. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Bartgeier zum ersten mal wissenschaftlich beschrieben wurde, kamen neben den Ockerpigmenten noch andere Ursachen für die Färbung in Betracht: unter anderem das Blut von Beutetieren oder körpereigene Substanzen.
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Eisenoxid eindeutig als Ursache ausgemacht und durch Versuche in Gehegen das absichtliche Waschen mit dem rostigen Wasser als Herkunft der Pigmente erkannt. Über den Grund für die Ockerbemalung gibt es seitdem verschiedene Spekulationen, zum Beispiel wurde eine medizinische Funktion vermutet. Demnach könnte Eisenoxid eine antibakterielle Wirkung im Gefieder haben und außerdem schützend auf die Eier im Nest wirken, indem es Vitamin A mobilisiert oder “freie Radikale” beseitigt. Diese Möglichkeiten wurden nun von ForscherInnen aus Spanien, Deutschland und der Schweiz eingehend untersucht (engl.), konnten aber nicht bestätigt werden.
Bartgeier im Freiland, Federn im Labor
Nicht alle Geier haben den gleichen Zugang zu Quellen rostigen Wassers. Daher gibt es unterschiedlich stark gefärbte Tiere, auf Kreta und Korsika wurden sogar schon gänzlich ungefärbte beobachtet. Wenn die Farbe nun tatsächlich schützend auf die Eier wirkten sollte, müssten stärker gefärbte Tiere mehr Erfolg beim Brüten haben. Daher beobachteten die ForscherInnen wild lebende Geier in den Pyrenäen per Teleskop. Zunächst teilten sie diese nach Stärke der Färbung ein und dokumentierten dann die Küken, die in jeder Brutzeit schlüpften. In etwa 120 Brutversuchen fanden sie keinen Hinweis auf eine schützende Wirkung des Eisenoxids für die Eier.
Aber wirkt Eisenoxid in den Federn antibakteriell? Dies sollten zwei weitere Experimente im Labor zeigen. Teile von Federn verschiedener Tiere wurden zunächst geputzt und sterilisiert, um gleiche Startbedingungen für alle zu schaffen. Dann kamen sie zusammen mit Bakterien in Glasröhrchen. Die verwendete Art (Bacillus licheniformis), ist dafür bekannt, Vogelfedern zu zersetzen. Bei konstanten 37°C und regelmäßigem Rütteln war nach sieben Tagen keine der Federn intakt, egal ob mit oder ohne Ockerfärbung, egal ob helle oder dunkle Feder. Auch Federn anderer Vogelarten überdauern diese Prozedur nicht mehr als eine Woche. Eine Ausnahme bilden gelbe und rote Papageienfedern, deren Pigmente vor der Zersetzung schützen (engl.). Sie halten einen Tag länger.
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In einem letzten Experiment zählten die ForscherInnen Bakterien direkt. Neben den schon genannten Bakterien B. licheniformis kamen zwei weitere Arten ins Labor: E. coli und K. rhizophila. Jede einzelne musste sich gegen Ocker, reines Eisenoxid und sauberes Wasser behaupten, außerdem gegen ein Antibiotikum, um das Experiment als Ganzes zu überprüfen. Eine feste Startmenge Bakterien durfte im Dunkeln und im Licht einer Lampe wachsen. Dies sollte zeigen, ob vielleicht erst UV-Strahlung die schützende Wirkung auslöst, eine Vermutung die in vorherigen Versuchen außer Acht gelassen wurde. Nach achtzehn Stunden hatten sich alle Kulturen genauso stark vermehrt – mit Ocker, Eisenoxid oder sauberem Wasser, bei Licht oder im Dunkeln. Einzig das Antibiotikum machte einen Unterschied, es tötete alle Bakterien ab.
Ocker mit sozialer Funktion
Letztendlich konnte für Ocker weder eine antibakterielle Wirkung in Federn, noch irgendein Schutz auf die Eier im Gelege gezeigt werden. Die ForscherInnen geben zu, dass Faktoren die den Bruterfolg beeinflussen können, vielfältig sind. Daher könnte dieser Effekt sehr leicht und schwerer zu erkennen sein. Dennoch halten sie es für wahrscheinlicher, dass die Färbung eine soziale Funktion hat. Es wäre möglich, dass die Färbung den Zugang zu einer seltenen und wertvollen Ressource zeigt und die Geier so Überlegenheit signalisieren. Dies sind aber Spekulationen, der genaue Zweck bleibt unklar. „Wir müssen weiterhin verschiedene Möglichkeiten erforschen„, betont Antoni Margalida, Erstautor der Veröffentlichung. “Unser nächster Schritt wird sein, die eisenhaltigen Quellen mit Kamerafallen zu beobachten, um die Häufigkeit und die zeitliche Nutzung dieser Orte zu verstehen.”
©Niko Komin (Follow @kokemikal)
Quellenangabe:
- Originalartikel (CC-BY 4.0): “Cosmetic colouring by Bearded Vultures Gypaetus barbatus: still no evidence for an antibacterial function”, Margalida et al. PeerJ (2019)
Bildnachweis:
- Titelbild: Ausschnitt Foto von Richard Bartz (links, CC BY-SA), Gespiegelter Ausschnitt, Foto von zoosnow auf Pixabay (rechts, public domain)