Steinzeitkunst Virtuell

Die Malereien der Höhle von Lascaux sind seit ihrer Wiederentdeckung 1940 durch die Anwesenheit von Menschen bedroht. Heute erlauben nur Nachbauten einen Besuch. Im Internet gibt es eine virtuelle Führung.

Das Tal der Vézère im Südwesten Frankreichs war schon bei Neandertalern ein beliebter Wohnort. Das legen zahlreiche Funde von Knochen und Werkzeugen nahe. Auch der moderne Homo sapiens nutzte später die Höhlen und Überhänge entlang des Flusses. Einige Fundorte der Gegend gaben verschiedenen steinzeitlichen Kulturstufen ihren Namen, aber weltweiten Ruhm auch außerhalb der Wissenschaft erlangte vor allem die (Wieder-) Entdeckung der Höhle von Lascaux mit ihren Malereien und Gravierungen.

Karte steinzeitlicher Fundstellen im Tal der Vézère, etwa 50km x 30km. Farben markieren die Höhe über dem Meeresspiegel. Der Fluss Vézère mäandert von rechts oben nach links unten durchs Bild. Das Tal auf etwa 50 Metern ist in die 200 bis 300 Meter hohe Umgebung eingeschnitten. Direkt am Rand des Tales befinden sich die Fundstellen (von Süd nach Nord): 1. Cro Magnon. Kurz nach dem Fund von Neandertalern in Deutschland, entdeckten Arbeiter unter diesem "Felsvorsprung des Herrn Magnon" menschliche Schädel. Diese Homo sapiens lebten vor etwa 28.000 Jahren. Seit den Funden bezeichnet Cro-Magnon-Mensch jene Menschen, die vor 12.000 bis 45.000 Jahren in Europa lebten. 2. La  Micoque. Hier gefundene Steinwerkzeuge führten zur Namensgebung des Micoquien, eine Kultur der Neandertaler vor 40.000 bis 60.000 Jahren. Noch ältere Steinwerkzeuge an dieser Fundstelle begründeten das nach der Gemeinde Tayac benannte "Tayacien", vor 150.000 bis 400.000 Jahren. 3. La Madeleine. Hier lagen die Knochen eines Kindes, Knochen größerer Tiere, Werkzeuge und Kunstgegenstände.  Diese Funde begründeten das sogenannte "Magdalénien", eine Kulturstufe die vor 12.000 bis 18.000 Jahren in Europa verbreitet war. 4. Le Moustier. Ein Neandertalschädel und verschiedene Steinwerkzeuge aus Le Moustier gaben dem "Moustérien" seinen Namen. Diese Kulturstufe der Neandertaler begann vor etwa 120.000 Jahren und endete vor 40.000 Jahren. 5. Lascaux. Diese Höhle wurde 1940 entdeckt.  Berühmt ist sie wegen ihrer zahlreichen Abbildungen, vor allem von Tieren.  Datierbare Funde aus Rentiergeweih oder Holzkohle haben ein Alter von 15.000 bis 18.000 Jahren. Der Stil der Felsbilder deutet auf ein noch größeres Alter.
Lage der Höhle von Lascaux und anderer steinzeitlicher Fundstellen in der Nähe.

Die Wiederentdeckung verdanken wir vier Teenagern, die 1940 im Wald der Gemeinde Montignac-Lascaux den Höhleneingang und die unterirdischen Darstellungen von Pferden und Auerochsen fanden. Schnell sprach sich die Entdeckung herum, schnell zog sie tausende neugieriger Menschen an und schnell bedrohte die Anwesenheit der Besucher die steinzeitliche Kunst. Die Originalhöhle ist seit 1963 für die Öffentlichkeit gesperrt, Kopien sind heute die einzigen Besuchsmöglichkeiten.

Die erste Ausstellung von Nachbildungen ist seit 1983 zugänglich (Webseite) und 2016 wurde eine komplette Nachbildung eröffnet (Webseite frz., engl.). Beide Ausstellungen stehen in Montignac, nicht weit von der eigentlichen Höhle entfernt. Seit 2013 geht eine Wanderausstellung um die Welt, die unter anderem 2019 in München zu Gast war (YouTube). Bereits mehr als zweieinhalb Millionen Menschen haben diese Kopien einzelner Szenen gesehen. Derzeit wird die Ausstellung in Frankreich runderneuert, um VR-Elemente erweitert und wird im Dezember 2021 in Belgien eine neue Welttournee beginnen (Webseite). Seit Juli 2021 gibt es auch eine komplette virtuelle Kopie. Mit VR-Brillen auf dem Kopf können bis zu sechs Besucher in der Cité de l’architecture & du patrimoine in Paris die gesamte Höhle begehen. Ein Video auf der Webseite gibt einen Eindruck von einem Besuch.

Jenseits von Öffnungszeiten und Reiseplänen erlaubt eine digitale Führung mit begleitenden Texten einen Besuch. Für diese Ausstellung des Französischen Nationalmuseums für Archäologie reicht ein Computer mit Internetanschluss aus. Leider ist die Führung ohne Tonkommentar aber erklärende Texte oder Detailaufnahmen sind an verschiedenen Stellen verlinkt. Die zusätzlichen Texte, zum Beispiel über die Umgebung, die Höhle, ihre Entdeckung sowie die archäologischen Funde und die Malereien selbst, sind unheimlich interessant und leicht verständlich.

Blick in den "Saal der Stiere" der Höhle von Lascaux. Screenshot
von archeologie.culture.fr/lascaux des Französcischen
Kulturministeriums (CC-BY-SA 3.0).
Blick in den „Saal der Stiere“ der Höhle von Lascaux. Screenshot der digitalen Führung einen Besuch. (Französisches Kulturministerium, CC-BY-SA 3.0).

Die Geschichte einer Zerstörung

Erste bedrohliche Veränderungen in der Höhle begannen schon neun Jahre nach ihrer Entdeckung: Algen begannen, an den Wänden zu wachsen. Mit zwei Luftabschlüssen sollte ein Puffer nach draußen als Schutz dienen. Der reichte jedoch nicht aus, wie sich ein paar Jahre später zeigte. Schweiß und Atmung der fast zweitausend täglichen BesucherInnen brachte Feuchtigkeit, zusätzliches Kohlendioxid und Wärme in die Höhle. Schäden an den Wänden wurden 1955 sichtbar. Also installierten die Verantwortlichen eine komplizierte Klimaanlage unter der Eingangstreppe.

Leider geschah die Installation unter unzureichender archäologischer Begleitung. Für den Einbau wurden mehr als tausend Tonnen Ablagerungen entfernt und dadurch aus ihrem historischen Zusammenhang gerissen.

Auch schützte dieses System die Malereien nur unzureichend. Zu den Algenflecken kam ein Schleier aus Kalzit, der sich über die Wände legte. Letztendlich wurde die Höhle 1963 für die Öffentlichkeit geschlossen. Nur wenige Personen und für sehr kurze Zeiten können heute die Höhle betreten, um zum Beispiel den Stand der Konservierung zu überprüfen. Dennoch machten sich später verschiedene Schimmelpilze breit, im Namen eines dort entdeckten Pilzes wurde der Fundort verewigt: Ochroconis lascauxensis (Fungal Biol., 2012).

Muriel Mauriac, Kuratorin der Höhle von Lascaux, hat die Veränderungen und die getroffenen Schutzmaßnahmen in einem Artikel von 2011 (Adoranten, 2011) detailliert beschrieben.

©Niko Komin (@kokemikal)


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