„Connected Car“: Gehacktes gefährdet Stadtverkehr

Mit Sensoren bestückt und mit dem Internet verbunden wird ein Auto ein „Connected Car“. Dieses soll Fahrer unterstützen, Beifahrer unterhalten, den Verkehr führen oder den Zustand des Autos in die Ferne melden. „Connected Cars“ sind schwer in Mode, ob bei der heute beginnenden „Tokyo Motor Show“ oder bei der letzten IAA im September. Aber was, wenn ein Programmierfehler oder ein böswilliger Eindringling den Computer abstürzen lässt?

Das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen erscheint als eine Möglichkeit, niemanden zu gefährden. Doch bleiben viele Autos auf der gleichen Straße stehen, behindern sie den Verkehr und wie sich zeigt, könnte das eine ganze Stadt zum Erliegen bringen. Für Manhattan gilt: werden im Hauptverkehr 20% aller Autos lahmgelegt, bricht der gesamte Verkehr zusammen. Krankenhäuser oder Feuerwachen wären nicht mehr erreichbar.

Physiker vom Yunker Lab in Georgia, USA, haben sich angeschaut, wie sehr ein organisierter Angriff auf mehrere Autos gleichzeitig den Verkehr beeinflussen kann (PhysRevE (2019), arXiv).

In drei Schritten zum Ergebnis

Zunächst simulierten sie eine dreispurige Straße mit liegenbleibenden Autos. Dann fassten sie das Ergebnis in einer mathematischen Gleichung zusammen und benutzten diese, um in einer weiteren Simulation das Straßennetz Manhattans nach und nach zusammenbrechen zu lassen.

Eine Straße und viele Autos

Diagramm Verkehrsfluss und Verkehrsdichte. Ersterer steigt bis zur optimalen Auslastung und fällt danach wieder ab.
Wie viele Autos passieren eine Straße, wenn der Verkehr dichter wird?

Die dreispurige Straße wird mit dem Intelligenten-Fahrer-Modell simuliert. Diese fast zwanzig Jahre alte Computersimulation bewegt virtuelle Autos so, dass die erlaubte Geschwindigkeit angestrebt und ein Sicherheitsabstand eingehalten wird. Es verhält sich echtem Verkehr sehr ähnlich: mit zunehmender Autodichte erhöht sich zunächst der Verkehrsfluss. Wenn jedoch zu viele Autos auf der Straße sind, verlangsamt sich der Verkehr und weniger Fahrzeuge passieren die Straße pro Stunde.

Durch liegenbleibende Autos wird der Verkehr nun behindert und kommt in den Simulationen immer wieder zum kompletten Stillstand. Zwei mögliche Gründe gäbe es dafür: ein „Stau aus dem Nichts“ (Wikipedia) und eine Blockade durch nebeneinander stehende Fahrzeuge. Bei genauem Hinsehen zeigte sich, dass vor allem Blockaden für den Zusammenbruch verantwortlich sind.

Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Autos nebeneinander liegen bleiben?

Mit ein paar Vereinfachungen können die Forscher die Frage genau beantworten. Gehen sie davon aus, dass Autos zufällig ausgewählt an zufälligen Orten stehen bleiben, alle Autos gleich groß und gleichmäßig über die Straße verteilt sind, dann erhalten sie eine fertige Formel. Aus Straßenlänge, Autodichte und Anzahl gehackter Fahrzeuge berechnet diese die gesuchte Wahrscheinlichkeit.

"Connected Car": Gehackt bleibt es auf der Straße liegen und blockiert den Verkehr.
Gehackte Autos in rot.

Im Straßennetz Manhattans

Mit dieser Formel können die Forscher nun Straßenabschnitte auswürfeln, in denen gehackte Autos den Verkehr blockieren. Die Physiker aus Georgia wählten dazu Manhattan. In verschiedenen Szenarien variieren die Verkehrsdichte und die Anzahl der gehackten Autos. Jedes Szenario wird mehrfach ausgewürfelt, da die Autos nicht immer an der gleichen Stelle liegenbleiben.

Straßennetze in einem 2x2km Quadrat in Manhattan und in Berlin.
Daten von „OpenStreetMap contributors“, extrahiert mit Hilfe von OSMnx.

Nehmen wir an, ein Angreifer ist in der Lage 20% der PKWs stillzulegen. Um drei morgens wäre hin und wieder ein Straßenzug unterbrochen aber der geringe Verkehr fließt im Großen und Ganzen weiter durch die Stadt. Bei mittlerem Verkehr sähe das schon anders aus. Es entstehen Inseln im Straßennetz, in die weder ein- noch ausgefahren werden kann. Und im Hauptverkehr bräche der Verkehr komplett zusammen. Da ist der Großteil aller Straßen isoliert und weniger als zehn Prozent aller Kreuzungen ist überhaupt noch mit einem Krankenwagen oder einer Feuerwehr erreichbar. In der Realität wären die Folgen noch drastischer, da die Staus durch die Behinderungen gar nicht berücksichtigt sind.

In Deutschland sind 20% aller Autos von Volkswagen. Aber Straßennetze verschiedener Städte können sich deutlich unterscheiden und die Ergebnisse können abweichen, ließen sich aber einfach ermitteln: „Das zweite Mal wäre viel schneller“, antwortet Co-Autor David Yanni in einer E-Mail. Das Frage ist jedoch, „ob es genug Daten gäbe. OpenStreetMap ist Schwarm-basiert wie Wikipedia und New York hat viele Details in den Daten. Wir brauchen mindestens genug, um den Algorithmus zu trainieren.“ Die Forscher extrahierten das Straßennetz aus OpenStreetMap und viele der Straßen haben keine Information über die Anzahl der Spuren. Diese ist aber notwendig und kann mit den Algorithmen aus den vorhandenen Informationen geschätzt werden.

Was tun?

Verschiedene Sicherheitslücken in einem „Connected Car“ wurden in der Vergangenheit öffentlich demonstriert. Wie beim heimischen PC wird die Dunkelziffer weitaus größer sein. Doch wie soll man dem Problem entgegentreten?

Nutzer eines solchen Autos können nicht viel tun, es sind in erster Linie die Hersteller gefragt. Warum sollen kritische Systeme des Autos mit dem Internet verbunden sein? Wenn ich den Motor meines Auto mit dem Handy aus der Ferne ein- und ausschalten kann, so kann das eventuell auch ein Angreifer. Ein Update für die Hauptsoftware aus der Ferne einzuspielen ist für die Hersteller billig und praktisch. Für die Hacker ist es ein interessantes Angebot.

Bildnachweis:

©Niko Komin (@kokemikal)



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