Neuartig beschichtete Nanopartikel aus Magnetit können Öl aus dem Wasser aufnehmen. Magneten sammeln alles ein, Benzin wäscht die Partikel. Das erlaubt die Wiederverwendung.
Ölkatastrophen auf dem Meer gefährden die menschliche Gesundheit, schränken Fischerei und Tourismus ein und bedrohen die maritimen Ökosysteme. Das Öl schwimmt zunächst auf der Oberfläche und breitet sich dort aus. Leichtere Bestandteile verflüchtigen schnell, dann können die schwereren Reste absinken und verklumpen. Wie schnell das geschieht, hängt unter anderem von der Zusammensetzung des Öls, der Windstärke, dem Seegang sowie von der Luft- und Wassertemperatur ab.
Die Verschmutzung zu entfernen ist sehr aufwändig und kostenintensiv. Auf durchschnittlich 2730 US$ pro Barrel (157 Liter) schätzte eine Untersuchung von 1996 die Reinigungskosten. Meist werden schwimmende Barrieren eingesetzt, um die Ausbreitung zu verhindern. Dann wird versucht, das Öl abzusaugen, oft wird es einfach in Brand gesetzt. Öl abbauende Bakterien im Wasser können mit “Dünger” bei der Arbeit unterstützt werden. Außerdem gibt es eine Reihe von Materialien, die das Öl aufsaugen. Dazu gehören seit kurzem mit einer Öl anziehenden Schicht überzogene magnetische Nanopartikel, die nach kurzer Einwirkzeit mit einem Magneten aufgenommen, dann gewaschen und wieder verwendet werden können. Dies beschrieben jetzt Forschende aus Erlangen (Link zum Artikel).
Magnetit-Nanopartikel
Staub mit nanometergroßen Körnern hat eine verhältnismäßig große Oberfläche, an der sich andere Substanzen anlagern können. Dies weckte schon früher Interesse an Nanopartikeln aus dem natürlich vorkommenden Eisenerz Magnetit (Fe3O4), um zum Beispiel Trinkwasser zu reinigen. Die Arbeitsgruppe aus Erlangen veränderte die Funktion der reinen Nanopartikel, indem sie diese mit “Hexadecylphosphonsäure” beschichteten. Die Säure besteht aus länglichen Molekülen, deren eine Seite am Magnetit andockt, die andere Seite ist “oleophil”: sie bindet sehr gut an Kohlenwasserstoffe wie Öl oder Benzin. Zur Herstellung dieser neuartigen Partikel werden die Säure und der Magnetitstaub in Alkohol gerührt und dreißig Minuten lang mit Ultraschall beschallt.
Zur Bekämpfung einer Ölpest wäre es denkbar, “die Partikel am Bug eines Schiffs auf das Öl zu sprayen und sie am Heck wieder einzusammeln.”, so Marco Sarcletti, Erstautor der Studie. In der Petrischale funktioniert das schon sehr gut (siehe Video).
Praxistests
Wissenschaftliche Experimente sind so angelegt, dass sie sich auf eine Fragestellung konzentrieren und alle Störfaktoren ausblenden. Konkret heißt das hier, dass Wissenschaftler zunächst nur die Aufnahmefähigkeit von reinen Kohlenwasserstoffen (z.B. Benzol), aus demineralisiertem Wasser und bei konstant 20°C gemessen hatten. Das fünf- bis zehnfache des eigenen Volumens kann der Staub so aufnehmen.
Erst danach kamen echte Rohöle zum Einsatz: Stoffgemische wie Sahara Blend aus Algerien und Oseberg Blend aus Norwegen mit jeweils verschiedenen Zusammensetzungen. Sie wurden von den Nanopartikeln sogar noch besser als die Reinstoffe aufgenommen, da die Moleküle der Gemische untereinander stärker zusammenhalten, sie sind zähflüssiger. Dadurch kann sich um die Nanoteilchen eine dickere Schicht bilden. Im Gegenzug funktioniert die Aufnahme schlechter, wenn die Umgebung wärmer ist. Dann ist der Zusammenhalt im Öl schwächer. Realistischer als deminieralisiertes Wasser ist echtes Meerwasser, was einer der Kollegen aus dem Urlaub am Mittelmeer mitbrachte. Darin sind neben Salzen auch Pflanzen- und Tierreste sowie Verunreinigungen durch Sonnencremes enthalten. Diese “Störfaktoren” verringern die Aufnahmefähigkeit der Beschichtung geringfügig.
Industrieller Großeinsatz
Die Toxikologin Irina Blinova aus Tallin hält den Einsatz von Magnetit-Nanopartikeln in der freien Natur für verfrüht. “Die Ungewissheit über den Umwelteinfluss von Magnetit-Nanopartikeln spricht gegen eine großflächige Anwendung”, sagt sie auf Nachfrage. Sie hatte mit Kollegen gezeigt, dass Magnetit-Nanopartikel für Wasserflöhe zwar erst in großen Mengen giftig sind, aber schon kleine Mengen in die Fortpflanzung eingreifen und so die Population verändern können (Link zum Artikel). Wie sich das auf das Ökosystem als Ganzes auswirkt und ob andere Wasserorganismen auch betroffen sind, sei noch nicht genug erforscht.
Untersuchungen zur Giftigkeit waren nicht Teil der Erlanger Studie. Die Gruppe hatte aber in einer früheren Arbeit die Wirkung ähnlich beschichteter Partikel auf menschliche Zellen geprüft, um sie für den medizinischen Einsatz zu testen. Es zeigte sich, “dass die funktionalisierten (d.h. beschichteten, Anm. Laika) Nanopartikel im Gegensatz zu Unfunktionalisierten keine Toxizität aufweisen.” Außerdem sind die Öl anziehenden Partikel so wasserabweisend, dass sie eher nicht absinken. Dies und eine kurze Einwirkzeit verringern die Gefahr, Material in die Umwelt zu verlieren. Für den Sprung aus dem Labor in die Anwendung arbeiten die Forscher jetzt mit Partnern aus der Industrie zusammen. Neben der Wirtschaftlichkeit müssen die Details zum Schutz der Umwelt und zur Sicherheit der Menschen bei der Arbeit im großtechnischen Einsatz erarbeitet werden.
©Niko Komin (Follow @kokemikal)
Bildnachweis:
- Titelbild: “Skimming oil in the Gulf of Mexico during the Deepwater Horizon oil spill” von NOAA, Public Domain
- “In situ burning” von NOAA, Public Domain
- “Boom and skimmer” von NOAA, Public Domain
- Schema der Nanopartikel: M. Sarcletti, Phosphonsäure: National Center for Biotechnology Information. PubChem Compound Database; CID=13783525 (accessed Mar. 13, 2019)
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