Viele Menschen haben zu wenig Vitamin D im Körper. Eine systematische Anreicherung zum Beispiel von Milch und Brot könnte den Mangel in der Bevölkerung reduzieren.
Das meiste Vitamin D wird in der Haut durch Sonneneinstrahlung gebildet. Je nach Zeit in der Sonne und Hautfarbe sind es zwischen 80% und 90%, der Rest wird durch die Nahrung aufgenommen. Fettreiche Fische, Eier und manche Pilze sind besonders reichhaltige Quellen, der etwas aus der Mode gekommene Lebertran ist da sogar “Superfood”.
Trotz der guten Nahrungsversorgung in Europa haben bis zu 13% der Menschen zu wenig Vitamin D im Blut, in Ländern mit geringeren Einkommen ist die Lage noch schlechter. Eine Unterversorgung beeinträchtigt die Gesundheit der Knochen, erhöht Infektionen der Atemwege, kann Asthma verschlimmern und Schwangerschaften verkomplizieren. Auch kann die Muskelkraft älterer Menschen leiden und so vermehrt Stürze verursachen.
Obwohl Vitamin D Präparate in der Apotheke frei erhältlich sind und weniger als 10 Cent pro Tagesdosis kosten, werden sie nur von Wenigen konsumiert. Würde man Lebensmittel systematisch damit anreichern, könnte sich die Versorgung in der Bevölkerung insgesamt verbessern. Dies empfiehlt zumindest jetzt eine Gruppe von Medizinern, unter anderem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es ist nicht das erste Mal, dass Mediziner die Vorzüge einer systematischen Anreicherung preisen. Diesmal aber bewerteten die Autoren Chancen und Risiken nicht nur nach einer umfangreichen Literaturrecherche, sondern auch nach den positiven Erfahrungen einer solchen Anreicherung vor allem in Finnland.
Bisherige Erfahrungen mit Vitamin D Anreicherung
Nachdem repräsentative Studien dort die Unterversorgung gezeigt hatten, legte die finnische Regierung 2003 eine systematische Anreicherung von Butter, Margarine und flüssigen Milchprodukten nahe. Die meisten Produzenten folgten der Empfehlung, die im Jahre 2010 noch nach oben korrigiert wurde. Insgesamt war es ein erfolgreiches Unternehmen: Hatten 2000 noch 13% aller Finnen zu wenig Vitamin D im Blut, waren es 2011 nur 0.6%. In absoluten Zahlen entspricht das einer Verringerung von 674.000 auf nur mehr 32.000 Menschen.
Die AutorInnen des Artikels räumen jedoch ein, dass die Anreicherung nicht allein für den Erfolg verantwortlich ist. Denn im gleichen Zeitraum vervierfachte sich die Zahl der Menschen, die zusätzlich Vitamin D einnehmen. Dieser Trend ist in vielen Ländern zu beobachten. Weltweit steigt der Anteil der Menschen, die einer Unterversorgung durch Vitamineinnahme vorbeugen.
Verschiedene Organisationen empfehlen eine Einnahme von 600 bis 800 “Internationalen Einheiten” (IE) pro Tag. Diese Angaben basieren aber im Wesentlichen auf Beobachtungsstudien, in denen einfach der Gesundheitszustand von Menschen mit deren Vitaminspiegel verglichen wird. Das blendet aber verschiedene Faktoren aus: zum Beispiel fördert Sport im Freien die Gesundheit und hebt gleichzeitig den Vitamin D Spiegel. Das Vitamin ist dann aber nicht die Ursache für die bessere Gesundheit. Der wirklich optimale Spiegel ist also noch Gegenstand intensiver Forschung und dürfte auch individuell unterschiedlich sein.
Risiken und Nebenwirkungen
Wie viel Vitamin D durch Ergänzungsmittel tatsächlich eingenommen wird, haben ForscherInnen in einer Untersuchung in den USA erfragt. Es ergibt sich ein überraschendes Bild: Menschen, die mehr als die empfohlene Höchstdosis von 1000 “Internationalen Einheiten” (IE) einnehmen, nimmt drastisch zu. Selbst Dosen jenseits der als sicher eingestuften Menge von 4000 IE pro Tag sind keine Seltenheit. Bis zu 3% der Amerikaner nahmen 2013 so hohe Mengen ein. Dies könnte mit dem Ruf zusammenhängen, den Vitamin D bei manchen Menschen genießt. Viele sehen darin ein universelles Heilmittel gegen jede Art von Erkältungen, Multipler Sklerose oder gar Krebs. Die meisten Mediziner sind jedoch vorsichtig mit dieser Einschätzung.
Dies führt uns gleichzeitig zu den möglichen Gefahren einer Anreicherung von Lebensmitteln – eine mögliche Überdosierung muss auch bei Menschen mit einseitiger Ernährung oder zusätzlicher Einnahme hoher Dosen ausgeschlossen werden können. Schon der oben genannte positive Effekt auf die Standfestigkeit älterer Menschen kehrt sich mit zunehmender Menge ins Gegenteil. Zu viel Vitamin D hat aber auch andere Nebenwirkungen. Dazu zählen unter anderem Probleme mit dem Verdauungstrakt oder dem Wasserhaushalt, Kopfschmerzen und Bluthochdruck.
Laut Medizinern in Neu Delhi werden in ihrem Krankenhaus immer mehr Menschen mit erhöhtem Vitamin D Spiegel beobachtet. Von den Patienten, deren Spiegel in dem Krankenhaus gemessen wurde, hatten 2011 etwa 1.5% eine Hypervitaminose (also zu viel davon). In den darauf folgenden fünf Jahren kletterte die Rate auf fast 8%. Alle diese Fälle sind wahrscheinlich auf die zusätzliche Einnahme zurückzuführen, es gibt in Indien so gut wie keine Lebensmittelanreicherung mit Vitamin D.
Akzeptanz
Die Akzeptanz dafür, Lebensmittel mit Vitamin D anzureichern, ist in Deutschland jedenfalls relativ groß. Zwar könnte ein höherer Preis oder die Angst vor “künstlichen Zusatzstoffen” manche Menschen abhalten, aber etwa drei Viertel der Befragten gaben 2015 an, sie würden solche Produkte ausprobieren. Informationen zu Ernährung im Allgemeinen werden besonders glaubwürdig eingeschätzt, wenn sie vom Arzt kommen. Lebensmittelindustrie und auch der Handel gelten als besonders unglaubwürdig, übrigens etwa im gleichen Maße wie die Regierung.
©Niko Komin (Follow @kokemikal)
Hierzu passender Artikel: „Mit Vitamin A gegen Kuhmilchallergie“ aus dem Februar 2018.
Quellenangabe:
- Originalartikel (CC BY 4.0): “Rationale and Plan for Vitamin D Food Fortification: A Review and Guidance Paper”, Pilz et al., Front. Endocrinol. (2018)
- “Vitamin D toxicity – a clinical perspective”, Marcinowska-Suchowierska et al., Front. Endocrinol. (2018) (CC BY 4.0)
- “Acceptance of vitamin D-fortified products in Germany – A representative consumer survey”, Sandmann et al., Food Quality and Preference (2015) (Bezahlschranke)
- “Trends in Use of High-Dose Vitamin D Supplements Exceeding 1000 or 4000 International Units Daily, 1999-2014”, Rooney et al. JAMA (2017) (frei einsehbar, Copyright © 2017, American Medical Association)
Bildnachweis:
- Titelbild: “Vitamin D Mangel” von Marco Verch, (CC BY 2.0)
- Bild: “Fortified Milk” vom U.S. Department of Agriculture, (CC BY 2.0)
- Bild: “Vitamins!” von Bradley Stemke, (CC BY 2.0)
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