Abbauprodukte von Vitamin A verkleben das allergieauslösende Protein und verhindern so die Sensibilisierung dafür. Eine bestehende Kuhmilchallergie kann man damit zwar nicht umgehen, das Auftreten selbiger aber vielleicht verhindern.
Kuhmilchallergie ist eine der häufigsten Allergien auf Nahrungsmittel und das meistens dafür verantwortliche Protein nennt sich β-lactoglobulin oder auch Bos d 5. Das Stoffwechselprodukt Retinsäure entsteht aus Vitamin A1 und passt genau so in das β-lactoglobulin, dass das Immunsystem das Protein nicht mehr als unerwünschtes Objekt wahrnimmt. Sofern die Überempfindlichkeit dafür nicht schon vorher aufgebaut wurde.
Dies erkannten Karin Hufnagl von der Universität Wien und die MitautorInnen schon bei Computersimulationen. Dabei hatten sie untersucht, ob und wie die beiden Moleküle eine Bindung eingehen würden. Sie sahen, dass das Milchprotein eine Art Kelch formt, in den die Retinsäure perfekt hinein passt. Dass die Stoffe auch wirklich bereit sind, diese Bindung einzugehen, bestätigte sich anschließend im Reagenzglas. Es zeigte sich jedoch, dass die für eine allergische Reaktion im Immunsystem verantwortlichen Antikörper Immunglobulin E (IgE) weiterhin an das Protein andocken, eine allergische Reaktion würde also nach wie vor stattfinden. Allerdings hatten die sogenannten T-Helferzellen Schwierigkeiten, das Allergen wahrzunehmen. Diese Zellen sind entscheidend im Entstehen einer Allergie. Die Retinsäure verklebt quasi das Schlüsselloch im Milchprotein, für das die T-Helferzellen den Schlüssel haben, während die Antikörper offenbar einen anderen Schlüssel benutzen.
Kleines Einmaleins der Allergie
Bekannt ist, dass Allergien eine übertriebene Antwort des Immunsystems sind. Dazu muss es mit dem Allergen bekannt gemacht worden sein, so wie mit Bakterien oder Viren gegen die der Körper Immunität entwickelt hat. Das Bekanntmachen zwischen Körper und Allergen nennt sich Sensibilisierung. Der Körper schickt dafür seine sogenannten T-Helferzellen vor, die das Allergen wahrnehmen und dann die Produktion von genau auf das Allergen passenden Antikörpern ankurbeln. Genau dies würde nicht mehr passieren, wenn das Bos d 5 Milchprotein mit der Retinsäure befüllt wurde. Sind die Antikörper einmal hergestellt worden und liegen im Körper vor, erkennen diese beim nächsten Zusammentreffen das Allergen sofort und lösen direkt eine Immunantwort aus. Der oder die Leidtragende fühlt dann zum Beispiel ein Brennen oder Jucken im Mund, bekommt Ausschlag oder gar einen anaphylaktischen Schock, bei welchem schnelle medizinische Versorgung dringend geboten ist.
Aufs Kuhfutter kommt’s an
Bevor es jetzt aber gleich los in die nächste Apotheke geht, um Vitamin A zu besorgen: besser nicht! Die Retinsäure aus dem Experiment wird ja erst im Körper gebildet, daher ist die bessere Idee, schon den Kühen Nahrung reich an Vitamin A zu geben. Am besten mit frischem Grünfutter. So würden die Schlüsselstellen der Proteine schon in der Kuh “verkleben”. Ob die Ausbildung von Allergien wirklich verhindert wird, welche Mengen verfüttert werden müssen und ob die entstehende Milch überhaupt noch schmeckt, all das steht noch auf einem anderen Blatt und muss noch eingehend studiert werden. Retinsäure kaufen und einfach zur Milch mischen wird auch nicht gut funktionierten, da die Retinsäuremoleküle nicht sehr stabil sind und zu einem großen Teil zerfallen werden, bevor genug Milchproteine verklebt sind.
Niko Komin (Follow @kokemikal)
Quellenangabe:
- Originalartikel: “Retinoic acid prevents immunogenicity of milk lipocalin Bos d 5 through binding to its immunodominant T-cell epitope”, Hufnagl et al. Scientific Reports 8, (2018), (CC BY 4.0)
Bildnachweis:
- Titelbild: von Maik Meid, (CC BY-SA 2.0)
- Computerillustration der Struktur des β-lactoglobulin bzw. Bos d 5 aus dem Originalartikel
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