Je kälter der Lebensraum desto größer das Tier? Diese sogenannte Bergmannsche Regel gilt für viele Tiere nicht und ist teilweise sogar umgekehrt gültig.
Der von Carl Bergmann 1847 erstmals niedergeschriebene Zusammenhang wird in der Fachliteratur viel diskutiert und über mögliche Ursachen nachgedacht. Da bei der Vergrößerung eines beliebigen Körpers die Oberfläche langsamer wächst als sein Volumen* (siehe Fußnote), verliert ein großer Körper verhältnismäßig weniger Wärme an die Umwelt. So gesehen ist die Bergmannsche Regel leicht zu erklären. Als aber Kristina Riemer und Ethan White zusammen mit Robert P. Guralnick von der Universität Florida die Körpergröße vieler Tiere mit der durchschnittlichen Temperatur in deren Lebensraum verglichen, stellten sie fest, dass die Regel so nicht stimmt. Jedenfalls ist sie nicht allgemein gültig.
Wie kann das sein
Seit hundertsechzig Jahren wird über eine Regel geschrieben, die keine ist? Nun, es gibt tatsächlich viele Tierarten, bei denen der Zusammenhang eindeutig ist. Als Illustration mag hier der Rotfuchs aus unserem Titelbild dienen, dessen Wüstenversion wesentlich kleiner ist, als die aus Mitteleuropäischen Wäldern oder Parkanlagen. Auch bei Pinguinen, Braunbären und Wildschweinen ist das so. Bei vielen anderen Tieren ist es aber eben nicht so und das ist auch durchaus bekannt. Möglicherweise werden diese Fälle in der Literatur aber seltener beschrieben, da sie sozusagen uninteressant sind. Dann würde eine Literaturrecherche ein verzerrtes Bild ergeben.
Unvoreingenommene Daten
Um diese Schieflage zu umgehen, nahmen sich die ForscherInnen aus Florida eine öffentliche Datenbank zu Hilfe (VertNet), in der Exponate aus einer Vielzahl von internationalen Museen und anderen Sammlungen verzeichnet sind. Insgesamt verwendeten sie die Daten von 952 verschiedenen Säugetier- und Vogelarten mit jeweils mindestens 30 Eintragungen. Statt, wie oft üblich, die geografische Breite zu verwenden, nahmen sie tatsächliche Temperaturen aus einer Datenbank der US-Amerikanischen Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA). Da zeigte sich, dass nur bei ca. 14% der Tierarten größere Tiere in kälterer Umgebung lebten. Bei 7% war es umgekehrt und bei überwältigenden 79% änderte sich die Körpergröße mit der Temperatur nicht. Auf die Bergmannsche Regel ist also in der Mehrheit der Fälle kein Verlass. Auf die Körpergröße einer Minderheit von 21% der Tierarten scheint die Temperatur aber doch einen Einfluss zu haben, wenngleich bei einem Drittel in die entgegengesetzte Richtung. Man kann also annehmen, dass die Klimaänderung langfristig auf die Größen dieser Tiere wirkt. Dies wurde von manchen Autoren als eine “Universelle Antwort auf die Klimaerwärmung” bezeichnet (Artikel nicht frei zugänglich).
Niko Komin (Follow @kokemikal)
Fußnote
*Vergleichen wir zwei Würfel: einer mit einem Meter Kantenlänge, der andere mit zwei Metern. Das Volumen des ersten Würfels ist 1m×1m×1m=1m³, das des zweiten ist 2m×2m×2m=8m³. Die Oberfläche des ersten Würfels ist 6 mal 1m×1m = 6m², die des zweiten ist 6 mal 2m×2m = 24m². Während sich also das Volumen verachtfacht hat, vergrößerte sich die Oberfläche nur auf das vierfache. Dies gilt für jeden beliebigen Körper, nicht nur für Würfel.
- Originalartikel: “No general relationship between mass and temperature in endothermic species”, Riemer et al. eLife (2018), veröffentlicht unter (CC BY 4.0)
Bildnachweis:
- Titelbild: Bergmannsche Regel illustriert am Beispiel des Rotfuchses aus Nördlichen und Südlichen Populationen von Umberto Nicoletti und Sumeet Moghe, (CC BY-SA 4.0)
- Fischermarder von http://www.ForestWander.com, (CC BY-SA 3.0)
- Colorado-Streifenhörnchen von Christian Collins, (CC BY 2.0)
- Südlicher Moorlemming von Andy Reago & Chrissy McClarren, (CC BY 2.0)
- Karten: Linke Karte mit den Lebensorten der Tiere aus dem Originalartikel (CC BY-SA 4.0), rechte Karte der Jahrestemperaturen von ESRL (NOAA) (Pubic Domain)
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