Die Zusammensetzung der flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) in der Luft von Innsbruck gleicht zum großen Teil der von London, Manchester, Helsinki und Mexico City.
Flüchtige organische Verbindungen sind sehr vielseitig. Diese Stoffe (engl.: volatile organic compounds, VOC) kennzeichnet, dass sie Kohlenstoff enthalten, leicht verdampfen und bei Raumtemperatur als Gas vorliegen. Sie kommen in der gesamten Pflanzen- und Tierwelt vor, zum Beispiel in frisch gemähtem Rasen, werden aber auch industriell hergestellt und entstehen außerdem beim Rösten, Kochen, Braten und Frittieren sowie beim Verbrennen fossiler Brennstoffe. Die uns umgebenden Gerüche, vom Achselschweiß bis zum Rosenstrauß, von der Tankstelle bis zur Bäckerei, zum größten Teil aus VOC. Auf ihnen baut die Geruchswahrnehmung auf. Hippokrates beschrieb vor über 2000 Jahren die Idee, den menschlichen Geruch zur Krankheitsbestimmung zu benutzen. Linus Pauling und seine Kollegen fanden 1971 im menschlichen Atem etwa 250 verschiedene flüchtige Substanzen, wenngleich ohne sie zu identifizieren (Pauling et al., PNAS (1972)). Heute ist die Erkennung von Krankheiten oder Vergiftungen am Atem ein breites Forschungsfeld. Außerdem haben manche VOC die unangenehme Eigenschaft, die Schleimhäute zu reizen, Krebs zu verursachen (z.B. Benzol), die Ozonschicht zu zerstören (z.B. FCKWs) oder zur Feinstaubbildung beizutragen und die Wolkenbildung zu beeinflussen.
Innsbrucks Vielfältiger Cocktail
Den Geruch der Stadt Innsbruck haben die Innsbrucker um Thomas Karl und Georg Wohlfahrt im Sommer 2015 mit einem Massenspektrometer für vier Monate auf dem Universitätsgelände vermessen. Das verwendete Gerät misst besonders häufig und bisher unerreicht kleine Konzentrationen. Durch Berücksichtigung weiterer Daten (Windrichtung, Temperatur, Verkehrsdichte etc.) war es ihnen möglich, nicht nur die Zusammensetzung sondern auch Art der Quelle der jeweiligen Verbindung zu bestimmen, d.h. ob sie zum Beispiel aus einem Kochtopf oder aus einem Auspuff stammt. Etwa 450 verschiedene VOC fanden sie. Was die Autoren erstaunte, war der Fund von Silikonölen, die aus Waschmitteln und Kosmetika stammen. „Dass diese Silikonöle in der städtischen Luft so deutlich Spuren hinterlassen, hat uns überrascht“, so Thomas Karl.
Im Vergleich mit anderen Städten findet Thomas Karl: “Innsbruck ist in dieser Hinsicht eine stinknormale Stadt.“ Die gefundenen Mengen sind sich ziemlich ähnlich. Allerdings wurde die Luft in London oder Helsinki mit älteren Methoden vermessen, die eine wesentlich geringere Sensibilität haben. Sie finden also viel weniger Substanzen. Daher kann man hier noch nicht von einem Fingerabdruck des Stadtgeruchs sprechen. Die Benutzung modernerer Technik in anderen Städten ist aber wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Hintergrund der Arbeiten ist der Wunsch, Entstehung und Verbreitung von VOC und damit auch ihren Einfluss auf das Klima zu verstehen. Im Hinblick auf die Schädlichkeit einiger Stoffe wäre für diese eine Reduzierung in der Stadtluft also wünschenswert. Und nur wer weiß, wo wie viel entsteht und wie lange die Luft belastet ist, kann zur Einhaltung von Grenzwerten beitragen.
©Niko Komin (@kokemikal)
Ein hierzu passender Artikel: „Düfte der Antike: Myrrhe, Weihrauch, Mastix“ aus dem Mai 2018.
Quellenangabe:
- Originalartikel: “Urban flux measurements reveal a large pool of oxygenated volatile organic compound emissions”, Karl et al. PNAS (2018), licensed under (CC BY-NC-ND 4.0)
- Pressemitteilung: “Der Geruch der Stadt”, Dr. Flatz, Universität Innsbruck
Bildnachweis:
- Titelbild: “Colours in Innsbruck” by James Cridland, (CC BY 2.0)
- Karte: basierend auf “© OpenStreetMap contributors” (CC BY-SA 2.0) und Angaben aus dem Originalartikel
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